Viele Reisemobile haben Gewichtsprobleme. Die Funktionalität und Alltagstauglichkeit steht oft der Zulademöglichkeit im Wege, die geltende Grenze von 3,5 Tonnen, die Camper in der Straßenverkehrsordnung und bei vielen anderen Regelungen in eine Zweiklassengesellschaft teilt, ist der Grund. Wer diese Gewichtsbarriere überschreitet, zahlt in vielen Ländern, darunter Österreich und die Schweiz, mit gebührenpflichtiger Autobahn- oder Straßennutzung deutlich höhere Tarife. Er fällt außerdem unter das Tempolimit von 80 km/h und unter das Überholverbot für Lastwagen, wenn dieses durch das Verkehrszeichen 277 angezeigt wird.
Dazu kommt, dass Autofahrer, die ihren Führerschein nach dem 2001 erworben haben, eine eigene Prüfung für das Führen von Fahrzeugen mit mehr als 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse bestehen müssen. Die Fahrtüchtigkeit muss im Rahmen einer ärztlichen Begutachtung alle fünf Jahre überprüft, die Fahrerlaubnis der Klasse CE neu beantragt werden. Diese Hürden schrecken viele Freizeitkapitäne, manche Hersteller von Reisemobilen bieten deshalb vermehrt Fahrzeuge mit geringerer Gesamtmasse an. Die meisten Mittelklassemodelle kommen mit einem Gewichtsmaximum von 3,5 Tonnen auf die Straßen. Leichtbau ist deshalb angesagt, wo es geht, sparen die Konstrukteure Gewicht ein. Doch bleibt die Diät auf der Strecke, wenn nur noch teure Materialien wie Aluminium oder gar exotische Magnesium weiterhelfen würden. Bei der Preisgestaltung (und dem Ertrag für den Hersteller) hört der Spaß schließlich auf.
Doch die Kunden haben immer umfangreichere Wünsche nach Komfort, Infotainment und Sicherheit. Ein teilintegriertes Mobil auf Fiat-Ducato-Basis kann nackt durchaus mit 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse klarkommen, meist bringt es etwa 3100 Kilogramm auf die Waage, bleiben also acht Zentner Zuladung übrig. Aber so eine Markise macht den Urlaub ja erst schön, schützt vor Sonne und Regen gleichermaßen, drückt aber mit knapp 40 Kilogramm aufs Gewicht. Und eine TV-Anlage mit sich automatisch ausrichtender Satellitenschüssel soll es außerdem noch sein: Der Zeiger auf der Waage bewegt sich um 30 Kilogramm weiter nach oben. Schick ist auch ein Solarmodul, 15 Kilogramm wiegt das Panel, Unterlegkeile, Kabeltrommel, Kochgeschirr und Vorräte dürfen ebenfalls nicht fehlen. Wer jetzt noch zwei Fahrräder, nicht einmal schwere Pedelecs, in die Garage schiebt oder auf den Heckträger (20 Kilogramm Zusatzgewicht) hievt, hat seinen Zulade-Spielraum ausgereizt, nachdem er sich samt Partnerin an Bord begeben, zuvor gar noch den Frischwassertank befüllt hat. Ab jetzt kostet es Bußgeld und kann sogar Punkte geben, wenn ein argwöhnischer Beamter eine Zwangswiegung anordnet.
Fünf Prozent zu viel auf der Waage kosten zehn Euro, für zehn Prozent werden 30 Euro und für 15 Prozent 35 Euro fällig. Wer mit 20 Prozent Überladung erwischt wird, ist mit 50 Euro und einem Punkt dabei. Das wären bei einem 3,5-Tonner zwar satte 700 Kilogramm, in den Protokollen der Polizei sind jedoch auch derart schwere Fälle verzeichnet. Die Hersteller bieten daher für diese Fahrzeugklasse Auflastungen auf bis zu 4,4 Tonnen an. Wie im richtigen Leben sind die zusätzlichen Kilogramm für Sonderausstattungen und Ausrüstung eben schnell angespeckt.
Wer aber mit einem eingetragenen Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen unterwegs ist, hat zumindest bei unseren südlichen Alpennachbarn bei der Maut nichts zu lachen. In der Schweiz kostet ein Reise-Tag mit dem Mobil dann 3,25 Franken (ca. 2,70 Euro), die Mindestgebühr beträgt jedoch 25 Franken (ca. 21 Euro). 58,5 Franken sind im Monat zu berappen und 650 CHF im Jahr. Es können auch zehn einzelne Tage zum Preis von insgesamt 32,50 Franken gebucht werden, dann ist der Coupon bei jeder Einfahrt in die Schweiz und jedem Tag des Verweilens selbstständig zu entwerten.
In Österreich ist das Verfahren komplexer. Zunächst muss die so genannte „GoBox“ erworben werden, die mit bis zu 500 Euro aufzuladen ist. Die als Transponder über die Mautbrücken an der Autobahn das Fahrpensum erfassen und abbuchen. Die Gebühren richten sich nach der Schadstoffklasse des Reisemobils über 3,5 Tonnen, Fahrzeuge mit EU 6 zahlen 0,15 Euro je Kilometer, bei EU 4 und 5 werden 0,17 Euro fällig und für alle schlechteren Kategorien 19,3 Cent. Das klingt zunächst nach wenig, summiert sich aber. Für die simple Durchquerung der Alpenrepublik von Kufstein zum Brenner werden 31 Euro für die nicht vignetten- aber mautpflichtige Brennerautobahn und zusätzlich rund 10,50 Euro für die Straßennutzungsgebühr fällig. Die Fahrt von Salzburg nach Wien kostet entsprechend 45 Euro an reiner Schwerverkehrsabgabe.
Wer nun bedenkt, dass er außerdem wegen des Lastwagen-Überholverbots etwa auf der A 5 kilometerweit hinter den Brummis herzuckelt, kommt schnell ins Grübeln, welchen Vergehens er sich schuldig zu machen gedenkt – Überladen oder Tempolimit brechen. Zumal das für die meist hochmotorisierten Vier- oder Fünftonner völlig obsolet erscheint. Selbst mit dem weitverbreiteten 150-Diesel-PS unter der Haube oder gar den 177 PS im neuen Mercedes-Sprinter sind 120 km/h mühelos zu erreichen. Viele überdenken daher mittlerweile ihre Komfortansprüche und üben sich im Konsumverzicht um schneller und mit niedrigeren Gebühren unterwegs sein zu können.
Um die Gewichtsgrenzen nicht unwissentlich zu überschreiten, gibt es einige zentrale Aspekte. Zunächst sollte jeder ermitteln, wie schwer sein unbeladenes Fahrzeug tatsächlich ist. Öffentliche Waagen gibt es meist im ländlichen Raum bei Genossenschaften oder in urbanen Gebieten bei TÜV, Dekra oder Stadtwerken. Kraftstoff- und Frischwassertank sollten dabei nicht mehr als zu 50 Prozent gefüllt sein. Die Gewichtsangabe der Wiegestation kann jetzt als Basis für die weitere Beladung genutzt werden. Dazu müssen die Gewichte aller Ausrüstungsgegenstände, die an Bord kommen sollen, mit einer Haushalts- oder Personenwaage ermittelt werden. Die Summe daraus darf die Differenz zwischen dem Leergewicht des Reisemobils und 3,5 Tonnen nicht überschreiten. Nicht vergessen: auch Fahrer und Beifahrer fließen mit ihrem Gewicht in die Bilanz ein.
Generell lässt sich Gewicht bei Fahrzeug und Ausrüstung auch mit anderen Mitteln reduzieren. Vorräte etwa können auch an den meisten Urlaubsdestinationen beschafft werden, manche Freizeitkapitäne machen den Fehler, die Lager bereits daheim zu füllen. Auch der Vorrat an Frischwasser lässt sich am Reiseziel leicht ergänzen. Hilfreich sind auch Gasflaschen aus Aluminium. Sie kosten zwar doppelt so viel wie die stählernen Zylinder, wiegen aber auch nur die Hälfte. Auch andere Ausrüstungsbestandteile sind als Light-Versionen zu haben, Auffahrkeile zum Nivellieren des Reisemobils im Stand etwa gehören dazu, Campingmöbel gibt es in verschiedenen Gewichtsklassen und sogar Töpfe, Tiegel und Teller sind als federleichte Varianten in den Angebotsprogrammen zu finden.
Überladen ist kein Kavaliersdelikt. Denn die überschüssigen Pfunde, für die das Fahrwerk und vor allem die Reifen nicht ausgelegt sind, gefährden die Fahr- und damit die Verkehrssicherheit. Dies sollte sich jeder vor Augen führen, der zwar eine Reihe von sicherheitsrelevanten Assistenzsystemen beim Kauf seines Reisemobils extra bezahlt hat, bei seinem eigenen Beitrag dazu dagegen fahrlässig handelt. (ampnet/mk)